In Deutschland wird 100-200 Mal pro Jahr die Diagnose Schütteltrauma vergeben. Eine erschreckende Zahl und trotzdem vermutet man eine große Dunkelziffer an Fällen – ein Thema, über das also definitiv gesprochen werden muss.
Ein Schütteltrauma ist eine durch äußere Gewalt (Schütteln) verursachte Hirnverletzung bei Säuglingen und Kleinkindern (unter 5 Jahren).
Der Säugling oder das Kleinkind kann durch die noch schwache Nackenmuskulatur den Kopf nicht gut alleine halten. Wenn das Baby geschüttelt wird, so schleudert der Kopf des Babys unkontrolliert vor und zurück. Innerhalb des knöchernen Schädels passiert dann folgendes: das Gehirn, welches normalerweise durch das Gehirnwasser schützend umgeben ist, ist einer solchen Kraft ausgesetzt, dass es von der einen knöchernen Schädelseite zur anderen knallt und somit Schaden nehmen kann.
Das Gehirn nimmt Schaden und leider oft auch dauerhaft. Durch das gewaltsame Schütteln entstehen diffuse Einblutungen, die je nach Schwere der Verletzung ein breites Muster an Langzeitschäden verursachen können.
Es kann zu Krampfanfällen oder Behinderungen kommen, ein Drittel der Kinder stirbt sogar nach einem sogenannten Schütteltrauma.
Wie kann es überhaupt so weit kommen?
Die Vorstellungen wie ein Baby sein sollte und die Realität liegen manchmal weit auseinander. Vielleicht wurde durch die Medien oder auch den Bekanntenkreis eine romantisierte Vorstellung vom Eltern-Sein vermittelt- vielleicht hat man es auch mit einem „charakterstarken“ Baby zu tun, vielleicht fehlt auch manchmal das Gefühl, die Signale des neuen Familienmitglieds richtig zu deuten.
Für Babys ist Schreien eine der wenigen Ausdrucksmöglichkeiten. Es ist also prinzipiell völlig normal, dass Babys schreien. Sie tun das, um alle möglichen Bedürfnisse auszudrücken.
Sie schreien nicht, um die Eltern zu ärgern, vom Schlafen abzuhalten oder um dich an deine Grenzen zu treiben.
Warum schreit dein Baby so viel?
Alle Babys schreien in den ersten Lebensmonaten, manche mehr, manche weniger. Manche kürzer und manche länger. Babys gehen genauso wie wir mit Situationen etwas unterschiedlich um: es gibt natürlich entspannte Babys und etwas anspruchsvollere Babys. Eine große Rolle dabei spielt wie wir als Eltern darauf reagieren.
Gerade abendliches Weinen ist in den ersten Lebensmonaten völlig normal und das darf auch mal andauern.
Du solltest dabei das Weinen nicht als Anklage gegen dich persönlich verstehen, sondern ganz neutral betrachten: „dein Baby hat ein Bedürfnis und zeigt dieses so – meine Aufgabe ist es nun, das Bedürfnis herauszufinden und zu stillen.“ (Ich gebe zu, dass man manchmal nicht dahinterkommt, was der Grund des Weinens ist. Gar nicht so selten ist der Grund ein Ruhe- oder Nähebedürfnis).
Dein Baby schreit, wenn es Hunger hat, wenn ihm warm oder kalt ist, wenn es eine neue Windel braucht, es Ruhe braucht, es schmusen möchte, wenn es Nähe braucht, aber auch manchmal, wenn der Tag zuviel war. Es gibt unendlich viele Gründe!
Wie kannst du deinem Baby helfen?
Je länger du dein Kind kennst, desto eher wirst du ein Bauchgefühl entwickeln, was dein Kind zur Zufriedenheit braucht. Gib dir Zeit, das zu lernen und vertraue dabei auf deine Intuition. Dabei hilft nochmal, die Situation so wenig wie möglich zu bewerten. Versuche eine Außenperspektive einzunehmen, um möglichst ruhig dein Kind verstehen zu können. Durch unsere Erwartungshaltung, wie du als Elternteil sein möchtest und wie dein Baby zu sein hat, entsteht ein Druck, der es manchmal unmöglich macht, sich auf sich und seine Intuition zu verlassen.
Damit will ich vor allem eins sagen: Gerate nicht in Panik, wenn dein Baby schreit. Versuche so ruhig wie möglich zu bleiben. Bist du aufgeregt und unruhig, spürt das dein Kind genau und schaukelt sich im Zweifelsfall noch mehr hoch. Ein Teufelskreis kann entstehen.
Nimm dein Baby ruhig auf den Arm, wenn du möchtest, kannst du es ganz sanft und langsam hin- und herschaukeln. Sing ein Lied, massier das Bäuchlein, gehe mit dem Baby spazieren. Alles, was Ruhe in die Situation bringt, ist hilfreich, alles was aus Panik und Übersprung geschieht, lieber sein lassen.
Sollten deine Nerven schon blank liegen, kann es manchmal extrem hilfreich sein, dem Partner das Baby zu übergeben und sich rauszunehmen. Gerade den Müttern fällt es schwer, ihre Aufgabe abzugeben und auch mal loszulassen. Wir wollen alles schaffen, wollen die Beste aller Mamis sein. Und genau das kann mal heißen: gar nichts tun, abgeben, vertrauen.
Das Baby schreit weiter?
Solange gesundheitlich alles ok ist, heißt auch hier das Schlüsselwort Ruhe. Solltest du aber merken, dass du die Nerven verlierst, dann schäme dich nicht! Die neue Situation mit Kind, die Herausforderungen des Elterndaseins und der Schlafentzug können dazu führen, dass die Entspanntesten unter uns nicht mehr ganz sie selber sind. Hier heißt es aber, die Situation FRÜHZEITIG zu erkennen und dir Unterstützung zu holen. Manchmal unterschätzen wir unseren Partner. Versuche die Verantwortung so lange abzugeben, bis du seelisch wieder in der Lage bist, dich um dein Kind ruhig und liebevoll zu kümmern.
Es ist also besser, kurz den Raum zu verlassen, und durchzuatmen um mit neuer Energie wieder reinzukommen, bevor du wütend auf dein Baby wirst.
Aber wenn dieser auch nicht mehr kann, zögere nicht im Freundes- oder Familienkreis Verantwortung abzugeben. Daran ist nichts Verkehrtes – im Gegenteil. Solltest du in deinem Umkreis nicht die Unterstützung finden, die du dir erwünscht, habe ich hier noch ein paar Ideen. Wende dich an:
– Hebammen
– Kinderärzte
– Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, – psychiater
– Praxen für Psychotherapie
– Therapieangebote für Eltern und Babies mit Schreiverhalten (sogenannte Schreiambulanzen)
– Elterntelefon 0800 – 111 0 550
Solltest du dein Baby tatsächlich geschüttelt haben, bitte zögere nicht und fahre mit deinem Baby unverzüglich in die nächste Kinderklinik.